Aus der Firmen- und Familiengeschichte Waltl
Gründung 1889
Seit dem 11. Februar 1889 sind am Standort mit der heutigen Adresse Oberer Markt 21 in ununterbrochener Reihenfolge – nun bereits in 4. Generation – Gewerbe auf den Namen Waltl angemeldet.
Anton Waltl der Ältere
Anton Waltl der Ältere (1847–1930) begründete die Kaufmannsdynastie Waltl. Der Höllbauernsohn aus Hörmsdorf kaufte am 23. Jänner 1889 das Anwesen in Wies.
Bartholomäus Krenn vulgo Bartl
Die ersten Teile des umfangreichen Gebäudekomplexes gehen auf die Erbauung durch den ersten, uns bekannten Hausbesitzer Bartholomäus Krenn vulgo Bartl (1776-1846) – er war gebürtig aus der Gottsche – zurück.
Verschiedenste Gewerbe
Anton Waltl der Ältere meldete Ende des 19. Jh. eine Reihe an Gewerben an und legte damit den Grundstein für die Kaufmannstradition. Die vielen Bewilligungen für die diversen Genehmigungen zeigen auf, dass der Behördenweg auch im aufgehenden 19. Jahrhundert gar nicht so einfach war.
• Bestätigung für den Zuckerverschleiß (31.10.1891)
• Benützungsbewilligung durch die Gemeinde Wies (29.3.1892)
• Bestätigung zum Fleischwaren- und Speckverschleiß (16.8.1892)
• Gewerbeschein als Petroleum-Verschleiß (9.3.1895)
Später kamen noch weitere Bewilligungen und Betriebserweiterungen hinzu etwa Viehsalz (1908) und der Bau einer Brückenwaage.
Bauen als Zeichen eines prosperierenden Bürgerstandes
Man könnte Anton Waltl den Älteren auch als „bauwütig“ beschreiben. Aus dem relativ kleinen Baubestand, welchen er 1889 kaufte, entwickelte sich ein beachtlicher Gebäudekomplex mit einer verbauten Grundfläche von knapp 1.000 Quadratmetern mit zum Teil 3-geschossigem Ausbau. Wohnräume für die Familie, aber auch für eine große Zahl an Mietern, Stallungen, Getreidelager, Kohlenlager, ausgedehnte Wirtschaftsräume, eine große Wein- und Obstpresse, uvm. entstanden in etwa 30 Jahren. Mit dieser „Bauwut“ hat er den folgenden Generationen auch ein nicht immer ganz einfach zu erhaltendes Erbe hinterlassen. Aber die beeindruckende bauliche Substanz bietet auch heute noch viele Möglichkeiten und lässt der Kreativität der folgenden Generatonen viele neue Perspektiven offen.
Anton Paul Waltl der Jüngere (1891-1948)
Als den Ältesten der drei Kinder (Anna [1892-1976] und Leo Alois [1894-1939]) war Anton Paul Waltl als Erbe sozusagen vorbestimmt. In einem Lehrabschlusszeugnis vom 15.7.1907 wird er „jedem Geschäftsmann als einem brauchbaren Mitarbeiter“ empfohlen. In einem berührenden Brief vom 16.8.1914, den er an seinen jüngeren Bruder Leo am Abend bevor er im 1. Weltkrieg nach Russland abrücken musste, schreibt er: „… wir fahren heute Nacht fort gegen Russland. Bin jetzt ganz ruhig und furchtlos. …Sollte ich aber auf dem Felde der Ehre sterben, so gehe du heim … und übernimm neben deinem eigenen auch noch das Geschäft des Vaters.“ Trotz zweier Verwundungen, die ihn zeitlebens einschränkten, überlebte er den Kriegseinsatz, der ihn bis nach Galizien (Schlacht von Gródek, 1914) führte. So wie auch sein Vater (Wieser Bürgermeister von 1922 bis 1924) war er in der Wieser Gemeindepolitik u.a. als Vizebürgermeister tätig. Der Betrieb des Anton Waltl des Jüngeren wird in den 1920er Jahren u.a. Mitglied der „Kaufmännischen Großeinkaufs- und Erzeugungsgenossenschaft des politischen Bezirkes Deutschlandsberg“ und der „Leibnitzer Kaufm. Vereinigung“. In den 30er Jahren war er Ortsgruppenführer der Heimwehr, seine Frau – die vulgo Pipitz Tochter Maria Masser aus Pölfing – wurde 1934 von Wieser Nazis mit vorgehaltener Pistole bedroht und zur (erfolglosen) Herausgabe von Waffen genötigt. Eines Morgens hing dann ein anonymer Zettel an der Kaufhaustüre: „Bei diesen Christlichsozialen kauft kein guter Nationalsozialist ein!“ Für den Betrieb waren es schwierige Zeiten und es konnte nur knapp ein Konkurs verhindert werden. 1944 wurde der älteste Sohn Anton III. (1925-1944) von einer Panzergranate in Borychow (heute Polen) an der sog. Ostfront tödlich verwundet. So wurde die „Erbfolge“ des vielseitigen Betriebes auf die beiden jüngeren Brüder Hans (1927-1981) und Karl (1928-2019) aufgeteilt. Der ältere Hans übernahm den Bauernhof und die Kohlenhandlung, Karl wurde Kaufmann – nun bereits in dritter Generation.
Karl Augustin Waltl (1928-2019)
Karl Waltl sen. ist der dritte Waltl als Wieser Kaufmann. Er besuchte 1943 bis 1945 die dreijährige „Allgemeine Berufsschule in Deutschlandsberg“ und erlangte weitere zusätzliche Qualifikationen als beeideter Betreiber einer Brückenwaage oder als Glaser (!). Zusammen mit seiner Frau Helga Nagl (1940-2024), Tochter der Franziska Orthaber (1906-1996) vulgo Orthaber aus Pölfing und des Obersteigers Franz Nagl (1895-1961), modernisierte er die kleine, elterliche Greißlerei und wandelte sie Ende der 1960er Jahre in eines der ersten Selbstbedienungsgeschäfte der Region um. Drei Kinder entstammten der Ehe: Regina (geb. 1960), Karl Michael (geb. 1964) und Gregor (geb. 1969). Das Geschäft bot „alles“ an, was für die Kunden der Region von Bedeutung war. Lebensmittel, Textilwaren aller Art, Eisenwaren, Galanteriewaren, Spielzeug, Linoleumböden, Farben, Lacke, uvm. Ab 1972 war der Betrieb auch als Schulbuchlieferant für die Wieser Schulen Ansprechpartner. Helga Waltl meldete das Gewerbe als Buchhändlerin an. Trotz dieser Vielfalt war aber 20 Jahre später – in den frühen 1990er Jahren – ein Betrieb mit dieser Geschäftsgröße (rund 100 Quadratmeter Verkaufsfläche) nicht mehr überlebensfähig. Ein zweites betriebliche Standbein – nun schon mit Unterstützung des jüngsten Sohnes Gregor – im benachbarten Pölfing-Brunn brachte auch nicht den gewünschten Erfolg. 1994 musste das Einzelhandelsgeschäft endgültig schließen – übrig blieb aber die Trafik Waltl, die Karl Waltl sen. bis Juli 2015 betrieb bis er im selben Jahr nach 71 (!) Arbeitsjahren mit 87 Jahren in Pension ging. Für sein Lebenswerk als Geschäftsmann, aber auch als vielseitig im Vereinsleben von Wies tätigen erhielt er neben vielen anderen Auszeichnungen am 16.11.2015 das „Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark“. In der Begründung hieß es: „Verdienste um die Marktgemeinde Wies – Herr Karl Augustin Waltl hat in vielen ehrenamtlichen Funktionen nachhaltige Verdienste erworben. Im Besonderen seine 67-jährige ehrenamtliche Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr Wies. Für seine Leistungen als Unternehmer und Privatperson für seinen Heimatort Wies erhält er das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark.“
Karl Michael Waltl (geb. 1964)
Karl Michael Waltl jun. ist der vierte Waltl, der in Wies als Geschäftsmann tätig ist. So wie seine Vorgänger ist auch er sehr vielseitig. Nach einer Ausbildung als Musiker (Violine und Viola bei Prof. Heide Auersperg an der Musikhochschule Graz, Expositur Oberschützen) war er über viele Jahre als freiberuflicher Musiker weltweit unterwegs. Im Orchester lernte er seine Frau Waltraud Micko (Geigerin, u.a. bis 2023 Lehrerin an der Erzherzog Johann Musikschule) kennen. Gemeinsam bereisten beide musikalisch die halbe Welt. Auch als Pädagoge und Erwachsenenbildner ist er tätig und leitet seit bald 40 Jahren viele Chöre in der Region. 1997 gründete er die Anton Halm Gesellschaft Wies. Als wichtiges wirtschaftliches Standbein betreibt er einen Buchhandel. 1994 hat er den Schulbuchhandel von seinen Eltern übernommen und das Wirkungsfeld beträchtlich ausgeweitet. Derzeit beliefert die Buchhandlung Waltl 14 Schulen mit Schulbüchern. Das geerbte Elternhaus haben Waltraud und Karl Waltl über 30 Jahre akribisch und detailverliebt renoviert, restauriert, modernisiert und adaptiert.